„Wenn nichts mehr geht, dann geh!“

Warum Dieter Hödl und Paul-Heinrich Fuchs seit Jahren mit Diakonen pilgern

Stuttgart. Pilgern tut gut und kann das Leben auf neue Wege lenken. Darin sind sich Paul-Heinrich Fuchs, Diakon i. R., und Dieter Hödl, Diakon und Kirchenrat i.R., einig. Auch darum haben sie sich immer wieder mit Diakonen und Diakoninnen der Landeskirche auf den Weg gemacht. Im Interview mit elk-wue.de sprechen sie über die Erfahrungen, die sie unterwegs gesammelt haben.  

Der Rucksack begleitet Paul-Heinrich Fuchs seit Jahren.Anna Görder / elk-wue.de

Pilgerwege gibt es in Württemberg schon seit Jahrhunderten. Aber Sie beide sind zwei der „Pilger-Väter“, die in unserer Landeskirche in den vergangenen Jahrzehnten das Pilgern wieder bekannt und beliebt gemacht haben. Wie kamen Sie selbst zum Pilgern zu einer Zeit, als es doch noch gar nicht wieder so „in“ war? 
Fuchs: In einer großen Lebenskrise sah ich einen alten Holzschnitt, der einen Pilger zeigte. Darunter stand: „Wenn nichts mehr geht, dann geh!“ Bei mir ging nichts mehr. Und damit hat das Ganze begonnen. In Stuttgart beim CVJM, wo ich damals gearbeitet habe, habe ich mit Straßenplakaten für eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg geworben. 

Damals haben alle den Kopf geschüttelt und gesagt „Paul-Heinrich, du hast eine leichte Macke!“ Aber von 1998 bis 2001 habe ich dann tatsächlich mit einer kleinen Gruppe den klassischen Jakobsweg gemacht, in Etappen natürlich. 

Damals haben alle den Kopf geschüttelt und gesagt „Paul-Heinrich, du hast eine leichte Macke!“ 

Paul-Heinrich Fuchs

Hödl: 2002 hat eine Gruppe von Gemeindediakoninnen und -diakonen eine Fortbildung zum Thema „Pilgern“ angeregt. Die sind dann einen Tag lang mit Paul-Heinrich gemeinsam gepilgert, mit Meditation und Impulsen. 

Und die Leute haben dabei so Feuer gefangen, dass wir das Pilgern als geistlich-theologische Fortbildung für die Diakoninnen und Diakone der Landeskirche etabliert haben.  


Pilgern boomt. Seit Jahren schon. Und auch in Corona-Zeiten sind Pilger unterwegs, vor allem einzeln, nur tageweise und auf regionalen Pilgerwegen. Elk-wue.de stellt in diesem Jahr in unregelmäßigen Abständen Glaubens- und Pilgerwege vor und spricht mit Menschen über ihre Pilgererfahrungen.


Wie lief dann so eine Pilger-Fortbildung ab? 
Fuchs: Ich war der technische Leiter und habe die Übernachtungen und den Weg vorbereitet. Wir waren mit dem Rucksack unterwegs und haben in verschiedenen Unterkünften übernachtet – Massenlager, Übernachten im Stroh, Bauernhof oder auch im Hotel. Jeder Tag war geprägt von einer Bibelarbeit und Impulsen auf dem Weg. 
Hödl: Das war eine echte Herausforderung für uns. Die Impulse mussten wir natürlich vorbereiten und dann im Kopf haben, sonst hätten wir viel zu viel Material zu tragen gehabt. Unterwegs haben viele der Teilnehmenden von Lebenskrisen erzählt oder haben sich gedanklich auf den Weg zu beruflichen Veränderungen gemacht. Das war toll, als Personalreferent auf dem Oberkirchenrat so dicht an den Menschen dran zu sein, sie zu begleiten und zu hören, was sie in ihrer Arbeit und in ihrem Leben beschäftigt. 
Fuchs: Die Diakone konnten dann das, was sie erlebt haben, mit in ihre Gemeinden nehmen. Und wenn sie den Spielraum bekamen, konnten sie ihre Erfahrungen dort auch multiplizieren.  

Pilgern tut gut und kann das Leben auf neue Wege lenken. Darin sind sich Paul-Heinrich Fuchs und Dieter Hödl einig. Seit Jahren pilgern sie mit Diakonen und Diakoninnen. Anna Görder / elk-wue.de

Was macht für Sie das Besondere am Pilgern aus? Man könnte ja auch wandern gehen. 
Hödl: Beim Pilgern bewege ich mich zwar, bin unterwegs. Aber gleichzeitig bin ich ganz bei mir und meinen eigenen existenziellen Fragen. In diesem Sinne ist sind Pilgernde unterwegs mit Gott in der Frage nach dem Sinn des Lebens. Man hat einen Zeitraum, in dem man innehalten und nach vorne schauen kann. Und dann kann man aus der Erschöpfung heraus, die das Unterwegssein mit sich bringt, innerlich gestärkt in den Alltag zurückkehren.  

Der Komiker und Entertainer Hape Kerkeling hat in seinem Buch „Ich bin dann mal weg!“ erzählt, was er auf seiner Pilgerreise durch Spanien erlebt hat. Und er beschreibt auch, dass er irgendwie Gott begegnet ist. Aber wie diese Begegnung genau aussah, das verrät er nicht. Mich hat das neugierig gemacht. Haben Sie solche „Gottesbegegnungen“ auf ihren Pilgerreisen erlebt? 
Fuchs: Zum einen habe ich immer wieder erlebt, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer in diesen Tagen an den Schaltpunkten des Lebens angekommen sind. Es gab Umkehr- und Einsichtserlebnisse, die den Menschen geholfen haben ihr Ziel im Leben wieder neu ins Blickfeld zu bekommen. Und das ist richtig spannend, wenn man das miterlebt. Zum anderen hat mich fasziniert, dass sich zwanzig so verschiedene Menschen auf diesen gemeinsamen Weg einlassen, respektvoll miteinander umgehen und sich gegenseitig bereichern – gerade auch, wenn sie aus verschiedenen Traditionen und Frömmigkeiten kommen. Wir durften zum Beispiel mal in der Ranftschlucht in der Einsiedelei des schweizer Mystikers Nikolaus von Flüe (1417 – 1487) das Abendmahl feiern. Als Evangelische an einem katholischen Wallfahrtsort Abendmahl zu feiern, das geht normalerweise nicht. Die Schwestern dort haben es uns aber erlaubt. Das war gelebte Ökumene. 
Hödl: In diesen Begegnungen bekommt Kirche ein menschliches Antlitz. Das ist sehr kostbar, so etwas erleben zu dürfen. 

Die obere Ranftkapelle mit der angebauten Klause des schweizer Mystikers Nikolaus von Flüe. Berthold Werner

Sie sind ja nun beide mittlerweile im Ruhestand. Ist Pilgern auch noch etwas, wenn man älter wird und es in den Knochen und Muskeln zu zwicken beginnt? 
Fuchs: Also die Männergruppe in meiner Kirchengemeinde hat inzwischen einen Begleitbus, der ihnen das Gepäck abnimmt (lacht). Dann fährt jeder mal einen Halbtag und kann sich erholen. Da muss man kreativ werden.  
Hödl: Ich finde, Pilgern ist keine Altersfrage. Es kommt drauf an, wie ich gehe und welche Entfernungen ich nehme. Der Mensch ist bis zu seiner Todesstunde immer unterwegs – auf das Reich Gottes hin. Ob jung oder alt, ist egal. Man muss sich fragen: Was ist jetzt dran, und was ist jetzt möglich? 

Ich finde, Pilgern ist keine Altersfrage. Der Mensch ist bis zu seiner Todesstunde immer unterwegs – auf das Reich Gottes hin.

Dieter Hödl

Fuchs: Viele Menschen pilgern die großen Distanzen in Lebenskrisen oder wenn es Bruchstellen in der Berufsbiografie gibt. Ich kenne einen Kollegen, der ist in so einer Situation ein halbes Jahr lang nach Spanien gepilgert und hat sich dazu sogar einen Esel gekauft. Eine Mitarbeiterin in der Gemeinde hat mit siebzig Jahren Spanisch gelernt und pilgert noch immer jedes Jahr vier Wochen lang auf dem Jakobsweg. Mittlerweile ist sie 85 Jahre alt. Wenn man will, geht viel.  

elk-wue: Stellen Sie sich vor: Ihnen schenkt jemand 6-8 Wochen. Wo gehen Sie zum Pilgern hin? 
Hödl: Ich würde auf den Berg Athos in Griechenland pilgern. Ich wäre dort gern als Gast in einem Kloster und würde dieses klösterliche Leben auf Zeit ausprobieren. Das ist ein noch unerfüllter Lebenswunsch. 
Fuchs: Ich würde gerne noch durch Frankreich pilgern. Bis Freiburg i.B. bin ich schon gekommen. (lacht.) Aber das kommt oder das kommt nicht.  


Anna Görder


Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( http://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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