Biblische Authentizität im hier und jetzt

Interview: Pfarrerin Tina Arnold hat Texte für die Basisbibel mit übersetzt

Stuttgart. Seit rund 15 Jahren wird an ihr gearbeitet – nun sind die Arbeiten für die Basisbibel abgeschlossen. Am 21. Januar 2021 bringt die Deutsche Bibelgesellschaft die vollständige Ausgabe mit Altem und Neuen Testament in den Handel. Bisher waren bereits das Neue Testament sowie das Neue Testament mit Psalmen erschienen, die sich seit 2012 über 200.000 Mal verkauft haben – laut Dr. Christoph Rösel, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft, häufiger als jede „andere Teilausgabe einer Bibelübersetzung“.

Wertvoller Inhalt, verständliche Sprache: Die neue Basisbibel kommt Anfang 2021 auf den Markt. Seit 15 Jahren haben Mitarbeiter die Texte übersetzt und an dem Gesamtwerk gefeilt.

Pfarrerin Tina Arnold, die zusammen mit ihrem Mann Andreas Arnold die beiden Pfarrstellen in Bonlanden bekleidet und daneben auch als Dozentin an der Missionsschule Unterweissach unterrichtet, hat mehrere Texte für die neue Basisbibel übersetzt. Im Interview mit elk-wue.de berichtet sie von ihrer Arbeit.

elk-wue.de: Was waren Ihre Aufgaben bei der Übersetzung für die Basisbibel?

Pfarrerin Tina Arnold: Ich war als externe Mitarbeiterin im Projekt dabei. Meine Aufgaben waren sowohl die Übersetzung biblische Bücher als auch die redaktionelle Begleitung anderer Mitarbeiter und schließlich ein Teil der Schlussdurchsicht Anfang dieses Jahres.

elk-wue.de: Und wie ist man auf Sie gekommen?

Tina Arnold: Ich war 2004/5 als überkonfessionelle Jugendreferentin und Redakteurin angestellt und habe mit der Deutschen Bibelgesellschaft in einem anderen Projekt zusammengearbeitet. Beim Kaffeetrinken haben wir festgestellt, dass die vorliegenden modernen Bibelübersetzungen für junge Menschen immer schwieriger werden. Die neuen Medien verändern die Lese- und Textverständniskompetenzen. Immer mehr Menschen sind es nur noch gewohnt, kurze Botschaften lesend zu erfassen. Martin Luther hat damals gesagt, man soll den Leuten „aufs Maul schauen“, ich würde heute eher sagen, man muss ihnen „aufs Smartphone schauen“.

Für die Basisbibel hat Pfarrerin Tina Arnold mehrere Texte in einfache und bildhafte Sprache übersetzt. Im Interview erzählt sie von den Schwierigkeiten und Freuden.Foto: privat

elk-wue.de: Der Textbau der vorliegenden modernen Übersetzungen ist also noch zu kompliziert?

Tina Arnold: Genau. Es war klar: Mit den gängigen Bibelübersetzungen auf dem Markt werden diese Leser sich die Bibel nicht erschließen können. Ein Hauptsatz und mehrere Nebensätze waren damals bereits für viele Menschen ein Ausschlusskriterium. Ab dem zweiten Nebensatz verstehen sie die Zusammenhänge nicht mehr. Das hat sich weiter verschärft. Die meisten Botschaften auf Twitter, auf Facebook sind ja im Grunde ein Hauptsatz nach dem anderen.

elk-wue.de: Was passierte dann?

Tina Arnold: Bei den ersten Versuchen mit der Basisbibel 2005/6 war ich dabei, habe das Matthäus-Evangelium übersetzt. Damals haben wir erprobt, wie eine Bibelübersetzung für Menschen mit diesen veränderten Lesegewohnheiten aussehen müsste. Bei Matthäus den Begriff Gerechtigkeit in einem Hauptsatz wirklich zutreffend und verständlich zu erklären – das war eine herausfordernde Grundlagenarbeit. Komplizierte Lexikonartikel zu schreiben, erscheint mir fast einfacher.

elk-wue.de: Was braucht man neben einer guten Sprachkenntnis für eine solche Aufgabe?

Tina Arnold: Gute hebräische und exegetische Kenntnisse, außerdem sprachliche Fertigkeiten. Was mir auch geholfen hat: Durch meine Zeit als überkonfessionelle Jugendreferentin kenne ich verschiedene Bereiche der Jugendarbeit. Wie reden und denken Jugendliche? Solche Eindrücke und Beobachtungen nimmt man automatisch mit. An einer Berufsschule hatte ich mit vielen Jugendlichen zu tun, die gar keinen christlichen Hintergrund hatten. Da merkt man schnell: Was verstehen sie von dem, was ich sage – und was nicht? Man bekommt ein ganz gutes Sprachgefühl, wenn man aufmerksam bleibt.

elk-wue.de: Und die Volxbibel war es dann nicht?

Tina Arnold: (lacht) Na, das ist ja ein bestimmtes Milieu. Vergleichbarer ist für uns die Sprachstruktur der Bild-Zeitung – eine einfache Sprache und Begriffe, die wenigstens im passiven Sprachgebrauch vieler Menschen zu finden sind. Ziel ist, dass wirklich breite Teile der Gesellschaft die Sätze verstehen können oder zumindest spüren, in welche Richtung sie gehen.

Ein wichtiger Bestandteil der Basisbibel sind die passgenauen Erkärungen am Rand.Wenke Böhm/elk-wue.de

elk-wue.de: Wie oft haben Sie auf den Urtext zurückgegriffen?

Tina Arnold: Der Urtext ist eigentlich immer Grundlage. Die modernen Übersetzungen haben wir nur dann herangezogen, wenn die Übersetzung ins Deutsche etwas schwierig wird – um zu schauen: Was haben die anderen für Lösungen gefunden? Ist da ein Ansatz, dem man folgen kann? Aber ganz oft braucht man nur den Urtext – in Griechisch, Hebräisch oder Aramäisch.

elk-wue.de: Was fanden Sie besonders schwierig?

Tina Arnold: Im dritten Buch Mose, dem Buch Leviticus, geht es um die Opfervorschriften und die Priester. Da taucht man in eine Welt ein, für die wir im Deutschen kaum Begriffe haben. Das war eine Herausforderung. Es sollten beim Übersetzen wenigstens Bilder entstehen, die annähernd in die Richtung dessen gehen, was beim Opfern tatsächlich vollzogen wurde. Dinge, die aus heutiger Sicht befremdlich oder unverständlich sind, können wir glücklicherweise in den Randbemerkungen erklären.

elk-wue.de: Wie sind sie vorgegangen?

Tina Arnold: Wenn ich die schwierigen Passagen in neue Worte übersetzt habe, habe ich mich immer gefragt: Entsteht ein Bild beim Leser, und ist es hilfreich? Ich habe auch jungen Menschen aus meinem Umfeld den Text vorgelegt und sie gefragt, was sie verstanden haben. Es gab auch sonst viele Rückmeldungen, die mit eingeflossen sind. Diese Möglichkeit des Feedbacks war ein großes Glück. Wir haben viel in Teams gearbeitet, mit einem Übersetzer und mindestens einem Redakteur, und dann über das Programm Paratext gegenseitig Informationen ausgetauscht, wenn etwa ein Wort an mehreren Stellen vorkam.

Für manchen bleibt die alter Lutherbibel unverzichtbar, andere schätzen die Leichtigkeit moderner Übersetzungen. Wenke Böhm/elk-wue.de

elk-wue.de: Ist Ihnen etwas besonders Kniffliges oder Lustiges in Erinnerung geblieben?

Tina Arnold: Manchmal waren es ganz banale Dinge. Wir sagen zum Beispiel: Wir gehen aufs Klo oder auf die Toilette. Nun gibt es auch in der Bibel einige Stellen, wo eine Person ein größeres Geschäft machen muss und sich deswegen in eine Höhle zurückzieht, zum Beispiel bei Saul und David. Natürlich könnte man schreiben: Saul musste aufs Klo. Aber ein Konfirmand, der das liest und den kulturellen Hintergrund nicht kennt – was stellt der sich vor? Einen gefliesten Raum mit einer Toilette, vielleicht. Das kann zu einem völlig falschen Bild führen und nicht erklären, warum Saul in eine Höhle geht. Da dann andere Begriffe zu finden, die nicht gleich in Richtung Hochsprache gehen, braucht viele Gedanken.

elk-wue.de: Zu Jahresbeginn hat die Schlussredaktion begonnen. Wie ging es Ihnen da?

Tina Arnold: Ich war sehr berührt und glücklich, als ich die Texte nochmal am Stück gelesen und dabei gemerkt habe: Ich lese sie wirklich gern, mit Genuss, und es ist nicht ermüdend. Natürlich blieben zum Schluss die schwierigsten Stellen übrig, an denen man nochmal arbeiten musste. Das waren die großen Klöpse, wo die Meinungen im Team auseinander gingen. Das viele Abwägen war eine Sache, die die Arbeit an der Basisbibel ausgemacht hat. Als ich im März meine Schreibrechte abgegeben habe, habe ich ganz schön geschluckt – für ein paar Stunden war eine Trauer da.

elk-wue.de: Und wenn sie das fertige Produkt endlich in den Händen halten, was passiert dann? Machen Sie einen Sekt auf?

Tina Arnold: Was ich mir wünschen würde, ist, dass dieses Jahr unterm Weihnachtsbaum meine Belegexemplare liegen. Wenn das wahr werden würde – das wäre schon was. Darauf freue ich mich sehr!


Wenke Böhm