Auslandspfarrkonferenz in Wittenberg: Beharrlich, bunt und munter

Am Anfang war das Wort, aber in vielerlei Sprachen: Dutzende von Plakaten hängen zum Auftaktgottesdienst an der Empore der Stadtkirche zu Wittenberg, auf denen in ferner Länder Sprachen der erste Satz aus dem Johannesevangelium steht: „Im Anfang war das Wort“, oder auch: „Pada mulanay adala Firman“ – welche Sprache mag das wohl sein“ Sprachspiele auch beim Lesen des Psalms: Nach Frauen und Männern getrennt vorzutragen, das ist ja in vielen Gottesdiensten schon Standard, aber aufzuteilen nach „jünger“ und „älter“ als 40 Jahre – das erlebt man nicht alle Tage! Mitreißend fröhlich der Gesang des Kinderbetreuungsteams („He’s got the whole world in his hand“ und nachdenklich grundlegend die Predigt von Auslandsbischof Martin Schindehütte, der den Anfang des Johannesevangeliums (Im Anfang war das Wort) mit dem leicht abgewandelten Claim der Lutherdekade (Am Anfang war das Wort) verglich.Am Anfang war das Wort, aber nicht nur eines: „Immer, wenn ich Wittenberg oder Reformation oder Protestantismus sage, dann klopft ihr die Silben mit!“ Mit diesem Kunstgriff hatte Katrin Göring-Eckardt, die Präses der Synode der EKD, bereits vor ihrem Grußwort im Rathaus der Lutherstadt Wittenberg die zahlreichen Kinder mit in das Geschehen einbezogen. Aufmerksam wie ein Luchs lauschten sie der Rednerin, und klopften die drei Schlüsselwörter mit, die reichlich darin vorkamen. Der Protestantismus habe die Welt verändert, aber die Welt habe auch den Protestantismus verändert, sagte die Präses, und: „Bei der Auslandspfarrkonferenz kommt das geschichtlich-reformatorische Erbe und die weltweite Perspektive zusammen und Auslandspfarrerinnen und -pfarrer bilden eine Brücke zwischen Wittenberg und der Welt, denn sie erleben in ihrem Alltag andere Kulturen, Denkweisen und Umgangsformen.“ Ausdrücklich dankte Katrin Göring-Eckardt im Namen der EKD den etwa 100 Pfarrerinnen und Pfarrern, die bis kommenden Montag in Wittenberg sind: „Sie sind wichtiger Anlaufpunkt für Menschen, die dauerhaft oder auch nur auf Zeit, aus beruflichen oder privaten Gründen, in der Fremde leben.“ Am nächsten Morgen nach der stärkenden Andacht in der Schlosskirche zu Wittenberg dann ein feinsinniger und luzider Vortrag von Christoph Markschies, dem Berliner Kirchenhistoriker und Vorsitzendem der Kammer für Theologie in der EKD. Und unterstrich, dass zu einem Reformationsjubiläum im Rahmen der weltweiten Ökumene sowohl Dankbarkeit über die erreichten ökumenischen Fortschritte, aber auch die Beschreibung der verbliebenen, schmerzhaften Differenzen. Die Reformation, so Markschies, habe eine gesamtkirchliche Reformation und keine Kirchenspaltung zum Ziel gehabt. Ungeachtet des seinerzeitigen Scheiterns sollte das Anliegen der Reformation nach 500 Jahren nicht als „teilkirchliche Selbstbeschränkung“ neu formuliert werden, empfahl Markschies seinem Auditorium in der Wittenberger Leucorea. Markschies: „Wir sollen Reformation feiern nicht als Schuldbekenntnis für die Spaltung der abendländischen Kirche, aber auch ohne Verklärung dieser beklagenswerten Entwicklung“. Vielmehr, so Markschies weiter, gehe es um ein „nüchternes, ehrliches Bekennen von Schuld“, aber auch um das Bekenntnis zur Freiheit, die der Kirche durch die Reformation geschenkt worden sei. Außerdem forderte Markschies, man solle den Blick nach vorn richten und sagte abschließend: „Es ist mutig und fröhlich zu fragen: Wie wünschen wir uns evangelische Kirche in den nächsten hundert Jahren“ Wie wünscht sich die uns umgebende Gesellschaft, wie wünschen sich andere Christenmenschen, andere Religionen, religionslose Menschen die evangelischen Kirchen“ Wenn wir bei den innerkirchlichen Reformprozessen unter dem Stichwort „Kirche der Freiheit“ ebenso heiter und gelassen wie energisch und tapfer voranschreiten könnten, dann würden wir ein Reformationsjubiläum feiern, das das Reformatorische der Reformation ernst zu nehmen versucht.“In den Arbeitsgruppen nach dem Vortrag entstanden lebhafte Gespräche. Fragen wurden laut, zum Beispiel „Wie gehen wir mit Charismatikern und Pfingstlern um““ Andere forderten „Mut zur Auseinandersetzung“, denn häufig neige man in der Ökumene dazu das Eigene sehr zurückzunehmen, aber das helfe längst nicht immer. Und es wurde auch beklagt, dass manche Konzepte zum Reformationsjubiläum eher als „problemorientierten Religionsunterricht“ erinnern würden und evangelische Christenmenschen häufig zu wenig „gelassenes, heiteres Selbstverstrauen“ ausstrahlen würden. Auch gebe es noch zu wenig Mut zu konkreten Schritten in der Ökumene. „Wir bleiben zu oft beim Nebeneinander“, klagte eine und überhaupt seien wesentliche ökumenische Grundeinsichten vielerorts noch nicht angekommen. Bis zum Mittag rauchten die Köpfe, am Nachmittag warteten kulturelle Exkursionen in der Lutherstadt, aber am Abend, da hebt das Wittenberger Diskutieren mit den vielen Perspektiven aus aller Welt weiter: Hoffentlich weiter so beharrlich, munter und bunt!
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Evangelische Kirche in Deutschland: Editorials

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