Eins zu null für die Integration

Koch meint…

Und was meinen Sie? Ich selber jedenfalls finde es echt schade, dass sich Jogis Jungs bei der Nationalhymne teilweise in Schweigen hüllen. So geschehen und gesehen bei Deutschland gegen Portugal, unserem ersten EM-Spiel 2012. Wo sich bei „Einigkeit und Recht und Freiheit“ vor allem die Spieler mit einem so genannten „Migrationshintergrund“ der Stimme enthalten haben. Integration, die als Vorbild dienen könnte, sieht, glaube ich, anders aus.

Aber wahrscheinlich muss ich den Anstoß hier wiederholen und versuchen, den Ball so ins Spiel zu bringen: Natürlich ist es jedermanns ureigenste Sache, bei der Nationalhymne mitzusingen oder nicht. Zumal mit dieser Hymne in der Vergangenheit auch schon kräftig Schindluder getrieben worden ist. Und auch das wäre ein plausibler Grund für die Singverweigerung, wenn es jemand kurz vor einem wichtigen Match einfach nicht nach Singen zumute ist. Oder wenn jemand überhaupt nie singt, weil er nicht singen kann. Was zumindest in der Kirche freilich niemand zu stören scheint. Franz Grillparzer, der Dichter: „In der Kirche singen immer die am lautesten, die falsch singen.“

Wo man dessen ungeachtet aber doch dazwischengrätschen muss – meint jedenfalls Koch –, ist, wenn ausgerechnet ein Jerome Boateng, ein Sami Khedira oder ein Mesut Özil das „Einigkeit und Recht und Freiheit“ kollektiv nicht über die Lippen bringen. Weil sie damit, wohl eher gewollt als ungewollt, ein ungutes Signal aussenden, nämlich: „Seht her, ich bin zwar Deutscher! Auch spiele ich für die deutsche Fußballnationalmannschaft! Aber so deutsch, dass ich die deutsche Nationalhymne mitsingen würde, bin ich nun auch wieder nicht! Das mögen doch bittschön die ganz Deutschen tun!“ Und schwups haben wir wieder eine Zweiklassengesellschaft, die eigentlich niemand wollen kann!

Übrigens: Der Deutsche Fußballbund lässt seit Jahren einen wunderschönen Werbespot über die Fernsehbildschirme flimmern, der dem Thema Integration am Beispiel der Nationalmannschaft einen tollen Steilpass liefert. Wozu es dann aber gar nicht passt, wenn Mitglieder dieses Teams selber den Pass im wirklichen Leben ins Leere laufen lassen. Und: Was ist denn das für ein verkrampftes Verständnis von multikultureller Identität, das glaubt, sich einer Nationalhymne verweigern zu müssen, die genau das besingt, was eine Gesellschaft erst so richtig offen macht, nämlich eben „Einigkeit und Recht und Freiheit“?

Weshalb das kurz vor dem Abpfiff dieses Beitrags hier mein Wunsch wäre: Ich würde gerne Jerome Boateng, Sami Khedira, Mesut Özil und andere bei Deutschland gegen die Niederlande, gegen Dänemark und so weiter die deutsche Nationalhymne mitsingen sehen – als Zeichen dafür, dass man gerade als Deutscher auch Boateng, Khedira oder Özil heißen und gleichwohl das bleiben und auch dazu stehen kann, was man ist, nämlich ein Mensch mit einer ganz eigenen Familiengeschichte. Und wäre das nicht ein starkes Zeichen? Jedenfalls wenn das wirklich so käme, stünde es künftig bei Deutschland gegen wen auch immer schon vor dem Anpfiff eins zu null, und zwar eins zu null für die Integration.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?


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