Wie der Wind auf Flügeln voller Frieden

Koch meint…

Diese Annäherung an Pfingsten – ich wiederhole etwas aus den vergangenen Jahren – fängt mit einer Tante von mir an. Die einer ihrer Tanten, die mithin meine Großtante war, einmal stolz davon berichtet hat, wie sie von der Skipiste kommend direkt in einen Silvestergottesdienst gegangen ist. Das Urteil der (Groß-)Tante fiel vernichtend aus: „Dann hattest du ja Hosen an. Das ist der Anfang vom Antichrist!“

Solche Tanten beziehungsweise Großtanten gab’s bei uns vier an der Zahl, und wie man ahnt, waren sie alle ganz schön fromm. Was zur Folge hatte, dass sie vor allem auch mit unserem Pfarrer nie wirklich zufrieden gewesen sind. Nur dass sie das so nicht gesagt haben! Stattdessen haben sie sich einer vornehmen Umschreibung bedient: „Heute Morgen war der Heilige Geist mal wieder nicht in der Kirche.“

Womit wir im Grunde genommen schon bei Pfingsten wären. Weil Pfingsten natürlich etwas zu tun hat mit dem Heiligen Geist auf der einen und mit der Kirche auf der anderen Seite. Man kann es aber auch anders und vielleicht noch richtiger so sagen: Weil an Pfingsten der Heilige Geist gekommen ist, ist Kirche geworden. Was im Umkehrschluss bedeutet: ohne Heiligen Geist keine Kirche, und zwar damals so wenig wie heute. Was das Urteil meiner Großtanten umso härter macht. Weil wo der Geist nicht ist, kann auch keine Kirche sein, und also war „heute Morgen mal wieder“ der Gottesdienst eigentlich umsonst.

Wobei Amalie, Elsa und zweimal Emma so weit natürlich gar nicht gedacht haben. Ohnehin ist ihre Skepsis gegenüber unserem Pfarrer weniger theologischer als irdischer Natur gewesen. Oder auch hier anders ausgedrückt: Kam das Amen bei der Predigt nach fünfzehn Minuten, war der Heilige Geist durchaus präsent. Hat es sich dagegen verspätet und damit das frühe Mittagessen der Großtanten gefährdet, wurde dem armen Herrn Pfarrer der Geist abgesprochen. „So isch’s no au wieder“, würde mein Chef dazu sagen.

Übrigens hat auch mir einer wegen eines Beitrags hier vor einiger Zeit den Heiligen Geist abgesprochen. Was man generell nie tun sollte, weil man einem damit eigentlich auch den Glauben abspricht. Und weil man damit den Heiligen Geist und also auch Pfingsten missversteht. Schließlich ist der Heilige Geist nicht dazu da, Konflikte zu schüren, sondern beizulegen. Jedenfalls fängt ein, wie ich meine, sehr schönes Pfingstlied genau damit an: „Der Geist von Gott weht wie der Wind auf Flügeln voller Frieden; wie Atem, der uns Leben gibt, hat er uns Ruh beschieden; wie Luft, die im Sturme aufersteht, dass alle Gewalt zu Ende geht und kühle Brise weht.“ (EG 556,1) Und damit auf ein in diesem Sinn vom Heiligen Geist beflügeltes Pfingsten, das uns Ruhe und Frieden finden lässt!

PS: Der Antichrist ist damals dann doch nicht gekommen und die Tante trotz Hosen im Silvestergottesdienst etwas geworden, nämlich die erste Dekanin im evangelischen Württemberg. Was die besagte Großtante allerdings nicht mehr mitbekommen hat. Sie hätte es zusammen mit der anderen Emma und mit Elsa und Amalie ohnehin nicht gutheißen können. Sondern – ich hab’s selber bei anderer Anrede später auch so zu hören bekommen: „Mädle, steig net so weit nauf, no fällst net so weit na!“ Aber das ist eine andere Geschichte.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?


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