Frau Botschafterin

Koch meint…

Wirklich weg war sie ja eigentlich nie. Nun kehrt sie auch offiziell zurück: Margot Käßmann, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im Februar vergangenen Jahres nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss von diesem Amt zurückgetreten, feiert sie im Frühjahr 2012 ihr Comeback, und zwar als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017. Was in Zeiten der Fußballweltmeisterschaft der Frauen nichts anderes heißt, als dass Margot Käßmann zur Steffi Jones der Protestanten wird, die in sechs Jahren ihren sage und schreibe 500. Geburtstag begehen.

Man muss kein Käßmann-Fan sein, um zu der Einsicht zu gelangen: Da gehen ein Amt und eine Person eine erfolgversprechende Symbiose ein. Oder anders ausgedrückt: Niemand könnte auf das kirchliche Großereignis, als welches das Reformationsjubiläum angelegt sein wird, besser aufmerksam machen und gewinnender dafür werben als die frühere EKD-Ratsvorsitzende. Der dabei alle die Eigenschaften zugute kommen, die sie in der Vergangenheit schon zur Frontfrau des deutschen Protestantismus gemacht haben: theologische Versiertheit, rhetorische Kompetenz, politischer Mut und ein souveräner Umgang mit den Medien. Hinzu kommt, dass sie Menschen ansprechen, ja, ihnen aus dem Herzen sprechen kann. Ganz abgesehen davon sieht Margot Käßmann auch noch gut aus. Was in einer Zeit, in der das Image von Institutionen durch Personen geprägt wird, für die evangelische Kirche alles andere als schädlich ist.

Trotzdem hat auch diese wie jede Medaille ihre zwei Seiten. Die Schattenseite hier: Wer jetzt und künftig Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland und damit eigentlich Deutschlands oberster Protestant ist, dürfte allenfalls für Insider noch von Interesse sein. Oder auch in diesem Zusammenhang anders ausgedrückt: Angesichts der zu erwartenden öffentlichen und medialen Dauerpräsenz der Botschafterin für das Reformationsjubiläum wird ein Nikolaus Schneider automatisch in die zweite Reihe rücken und Gefahr laufen, zum „Nikolaus wer?“ zu werden. Das aber hätte er nicht verdient und seinem Amt täte es auch nicht gut. Hier die nötige Balance zu wahren, wird für beide und nicht zuletzt für Margot Käßmann eine echte Herausforderung sein, an der sie auch scheitern können.

So wie manche Kommentatoren derzeit daran scheitern, das Comeback von Margot Käßmann richtig einzuordnen. Dass beispielsweise evangelisch.de titelt: „Luther hätte seine Freude an Margot Käßmann“, mag ja noch angehen. Aber mit dem Folgenden kann man dann schon so seine Schwierigkeiten haben: „Das Wort ‚Trunkenheitsfahrt’ wollen wir ab sofort nicht mehr hören. Erstens ist nach über einem Jahr auch gut mit dem Thema. Und zweitens hätte Martin Luther solche hässlichen Worte gar nicht benutzt. Ihm verdanken wir einige der schönsten Vokabeln in der deutschen Sprache. ‚Herzenslust’ ist eine davon …“ Das, mit Verlaub, ist Verharmlosung pur.

Wobei auch ich auf das Wort „Trunkenheitsfahrt“ gerne verzichte. Und gleichzeitig darum bitte, dass man umgekehrt im Blick auf Margot Käßmanns Amtsverzicht auch nicht mehr von der „Mutter aller Rücktritte“ spricht. Denn, wie gesagt: Wirklich weg war sie ja eigentlich nie. Jetzt wird sie Botschafterin, und das ist auch gut so. Solange uns allen eines klar ist und klar bleibt: Gefeiert wird nicht sie, sondern das Jubiläum der Reformation.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?


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