Zwei Frauen und ein Film

Koch meint…

Dies ist eine Liebeserklärung an zwei Frauen und an einen Film: „Der Herrgott weiß, was mit uns geschieht – Die Schwestern von der Albmühle“. Der vor über zehn Jahren in der ARD zum ersten Mal ausgestrahlt worden ist. Den es in den dritten Programmen – am Karfreitag 2011 beispielsweise im SWR-Fernsehen – immer wieder einmal zu sehen gibt. Dem zuliebe seine Fans, wenn es sein muss, bis weit nach Mitternacht aufbleiben. Und den es jetzt, nachdem er lange Zeit vergriffen war, endlich von Neuem zu kaufen gibt.

Diesen Film, wie gesagt, liebe ich und mit ihm die beiden Frauen, um den er sich dreht: die Schwestern Klara und Marie, die bis ins hohe Alter in einer Sägemühle auf der Schwäbischen Alb leben unter Bedingungen aus einer versunkenen Zeit – ohne Strom, ohne Fernsehapparat, ohne Waschmaschine und dergleichen. Und die trotzdem zufrieden sind, wenn sie nur jeden Tag aufstehen und ihre Sachen „schaffen“ können.

Inzwischen liegt Marie auf dem Friedhof in Stetten unterm Holstein begraben. Und ist doch lebendig wie eh und je, wenn sie im Film Brennholz über eine steile Treppe in die Küche schleppt, vor der Mühle ihre Sense dengelt, mit der Nähmaschine Klaras Blaumann flickt oder ohne Scheu „O Maria, hilf!“ in die Kamera singt.

Klara dagegen ist noch am Leben. 87 Jahre sei sie jetzt, erzählt sie mir im Altersheim, „ond 66 davo bene uf der Säge gsei.“ Von der einst resoluten Sägerin, die ihr Gebiss bloß zum Kirchgang trägt, deren Idiom sogar für Schwaben wie eine Fremdsprache klingt und auf deren Kommando gestandene Mannsbilder ohne Murren hören, gibt es in der Albmühle noch in Holz gekerbte Zeugnisse wie dieses hier: „Nur jener ist ein rechter Mann, der mit der Klara sägen kann.“ Ansonsten ist das Leben aus der Mühle verschwunden und auch aus dem Stall, wo Gretel, die Kuh, anno dazumal den von Marie geschlachteten Hahn vermisst.

Rudolf Werner, dessen Regie wir „Der Herrgott weiß, was mit uns geschieht“ verdanken, hat außer Marie auch Klara zum Filmstar gemacht. Was sie selber aber sicher gar nicht so sieht. Weil sie ist ja auch im Film lediglich ganz sie selbst: zahnlos, wie gesagt, mit etwas wildem offenem Haar, immer am Arbeiten, nur ab und an sich eine Wallfahrt gönnend oder ein paar Tage Exerzitien in Beuron, über das Wort „Transformator“ stolpernd – weil der zu teuer ist, gibt’s bei Klara und Marie keinen Strom –, „äll Däg an andere Brescht“ als Altersgebrechen gelassen hinnehmend und von jetzt auf nachher anrührend traurig, wenn es um die beiden im Krieg gebliebenen Brüder geht. Oder soll man darüber, dass sie fast bis zum Schluss auf die Rückkehr des ja „nur“ vermissten Joseph hofft und für ihn alle Maschinen „verhält“, vielleicht müde lächeln? Mitnichten!

Älter geworden und nicht mehr in der Mühle lebend ist Klara anders. Ganz weiß ist jetzt ihr Haar und nicht nur am Sonntag hochgesteckt. Schwarze Hose und Schürze kleiden sie gut. Ihre Hände legt sie in den Schoß. Auffallend klein sind sie und alles andere als Sägerinnenpranken. Mit ihnen hat sie früher sogar Klavier gespielt, nachdem sie in der Schule in Hörschwag beim Lehrer – „dr Vadder vom Kardinal Lehmann“ – Noten lernen durfte.

Miteinander schauen wir Fotos an. Vor einem Jahr habe ich die gemacht. Bewegen tut sich an der Mühle und um die Mühle herum bloß noch das Flüsschen Lauchert. Sonst – ein kurzer Seufzer: „Älles leer!“ Aber nein, kalt sei’s in der Mühle früher nie gewesen. Im Gegenteil: Der Kachelofen habe schön warm gegeben, und das auch für Marie, als die zum Schluss krank gewesen ist. Aber die Treppe war doch steil und sicher ziemlich beschwerlich? „Awa, noi!“ Macht sich da vielleicht jemand etwas vor, weil „i wett scho gern nomal zrück en dui Mühle“? Fast im gleichen Atemzug aber: „Wenn de alt bisch ond nemme hoim kaasch, sottesch sterba derfa.“

Die Klara von einst ist zur Ruhe gekommen. Bis auf ihre Augen. Und bis auf ihren regen Geist, der sie mit leiser Stimme Sachen sagen lässt, die man schon aus dem Film gut kennt. Und Dinge, die zumindest mir neu sind. Alters(heim)weisheiten zum Beispiel, die ich dem Sinn nach erinnern, aber nicht mehr auf Schwäbisch schreiben kann: „Wenn mir jemand krumm kommt, höre ich einfach weg. Dann stört es mich nicht.“ Als ich mich von ihr verabschiede, wünsche ich ihr alles Gutes und Gottes Segen. „Den ka ma braucha“, antwortet Klara.

Warum nun aber, ja, liebe ich diesen Film? Weil ich mich in diesen Film hinein- und mit ihm aus der Zeit fallen lassen kann. Weil seine Musik mich trägt – Franz Schubert, das Adagio aus dem Streichquintett in C-Dur. Weil er mir die Schönheiten auch des eigenen Lebens wiederentdecken hilft. Und weil er – und das vor allem – ein ebenso schlichtes wie eindrückliches Glaubenszeugnis ist, abgelegt von Klara und Marie, denen deshalb ebenfalls meine Liebe gilt. „Der Herrgott weiß, was mit uns geschieht“, so lautet ihre Bilanz gegen Ende eines alles andere als einfachen Lebens und am Ende des Films. Schöner kann man es, denke ich, nicht sagen, was glauben heißt, nämlich darauf vertrauen, dass Gott es schon richtig macht mit uns. Gut darum, dass es „Der Herrgott weiß, was mit uns geschieht – Die Schwestern von der Albmühle“ wieder zu kaufen gibt! Und so viel Werbung darf und muss, glaube ich, sein.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Die DVD „Der Herrgott weiß, was mit uns geschieht – Die Schwestern von der Albmühle“ ist ab 2. Mai zum Preis von 19,80 Euro erhältlich bei der Evangelisches Medienhaus GmbH, Augustenstraße 124, 70197 Stuttgart, Telefon 0711 / 22276-26, Fax 0711 / 22276-43, E-Mail info@evmedienhaus.de, Internet www.evmedienhaus.de. Von dort und zum Preis von 22,90 Euro kann auch das gleichnamige, mit vielen Fotos aus dem Film und darüber hinaus illustrierte Buch von Eberhard Neubronner und Rudolf Werner bezogen werden.


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