1. Thessalonicher 5,14-21

Liebe Gemeinde,

wo sind aber die neun? Fragt Jesus. Zehn Männer hat er geheilt. Nur einer davon kehrt zurück. Um ihm zu danken und Gott zu loben. Mancher ist geneigt, die Frage Jesu aufzugreifen und sie heute zu stellen: Wo sind die 95 Prozent? Fragt der Pfarrer, der sonntags vor leeren Bänken predigt.

Wo bleibt die Dankbarkeit der Jugend? Fragen Eltern und Erzieher. Wo ist noch Zufriedenheit unter den Menschen, fragen viele unserer Zeitgenossen –

Wer so fragt, muß sich die Gegenfrage gefallen lassen: Wofür sollen wir denn dankbar sein?

Scheint uns denn nicht das meiste in unserem Leben schon selbstverständlich? Unser Arbeitsplatz, unsere Wohnung, unser Essen und Trinken …, der Frieden, in dem wir leben.

Gibt es denn noch einen Grund, aufzustehen und zurückzugehen, still zu werden und Gott zu danken?

Im heutigen Predigttext erinnert Paulus seine Gemeinde per Brief daran, wofür sie Gott dankbar sein kann. Er erläutert auch, wie dieser Dank in der christlichen Gemeinde aussehen soll. Wir hören als Predigttext einen Abschnitt aus 5. Kapitel des Briefes an die Gemeinde in Thessaloniki. Paulus schreibt:

9 Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus,

10 der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben.

11 Darum ermahnt euch untereinander, und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut.

12 Wir bitten euch aber, liebe Brüder, erkennt an, die an euch arbeiten und euch vorstehen in dem Herrn und euch ermahnen;

13 habt sie um so lieber um ihres Werkes willen. Haltet Frieden untereinander.

14 Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann.

15 Seht zu, daß keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann.

16 Seid allezeit fröhlich,

17 betet ohne Unterlaß,

18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.

19 Den Geist dämpft nicht.

20 Prophetische Rede verachtet nicht.

21 Prüft aber alles, und das Gute behaltet.

22 Meidet das Böse in jeder Gestalt.

23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.

24 Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.

Eine lange Liste hat Paulus da geschrieben. Es sind vierzehn Mahnungen und Ratschläge. Vierzehn Tips, wie wir leben und miteinander umgehen sollen. Vierzehn Hinweise, was zum Leben als Christ gehört und was nicht.

Einiges davon leuchtet unmittelbar ein: Tragt die Schwachen – wer will das nicht? Prüft alles und das Gute behaltet – da stimmen wir gern zu. Meidet das Böse – klar doch.

Anderes, das Paulus nennt, fällt uns schon schwerer: Seid allezeit fröhlich – das geht doch nicht, sagen manche. Morgens stehe ich auf und habe solch einen Kopf. Fröhlich sein – auch bei Enttäuschungen? Und dann: dankbar sein in allen Dingen, auch bei Krankheit oder Tod?

Ist das nicht ein bißchen viel verlangt, lieber Paulus? Treibst du es mit deinen Ratschlägen nicht zu weit? Wir sind doch schon froh, wenn wir in unserem Alltag Freude erleben dürfen, wenn wir ab und zu etwas haben, wofür wir dankbar sein können.

Doch diese lange Liste hängt nicht einfach in der Luft, liebe Gemeinde. Paulus weiß, daß es keinen Grund für einen Menschen gibt, sich all dies zu Herzen zu nehmen, wenn er nicht von innen heraus verändert und neu geschaffen worden ist. Freude, Dankbarkeit und Geduld kommen nicht einfach so aus der Luft in unser Leben. Dafür braucht es einen guten Grund, eine gute Erfahrung, die uns hoffen läßt.

Weil Paulus das weiß, stellt er die Botschaft, aus der die christliche Gemeinde ihre Kraft schöpft, an den Anfang: der Herr Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben.

Das Leben aus Christus steht am Anfang. Christus schenkt uns, wie den Zehn Aussätzigen, ein neues Leben, das aus der Vergebung kommt und unserem Dasein ein neues Fundament gibt. Dafür dürfen und sollen wir jeden Tag danken, ob wir in Unruhe oder im Frieden leben, ob wir alt sind oder jung, gesund oder krank, ob wir von einer kleinen Rente leben müssen oder uns eine Scheibe vom Wohlstand abgeschnitten haben, ob unser Leben uns befriedigt, oder so mancher Wunsch unerfüllt bleiben muß, ob wir behindert oder arbeitslos sind.

Wenn wir zu den Menschen gehören, deren Leben durch Christus erneuert wurde und täglich erneuert wird, dann werden wir verstehen, daß diese Erfahrung nicht ohne Folgen bleiben kann. Unser Leben kann nicht so weitergehen wie bisher. Die alten Maßstäbe können in einer solchen Gemeinschaft nicht mehr gelten, wo einer auf den anderen herabsieht, wo Unfriede und Neid herrschen, wo Lüge und Vorteilsdenken regieren.

Das alles, sagt Paulus, hat in einer christlichen Gemeinde keinen Platz. Denn wer so lebt, zeigt nur, daß er von Christus und seiner Botschaft noch nichts weiß.

Wer aber Jesus begegnet ist, wird anders leben: er weiß, was es heißt, eine Hoffnung zu haben, wo vorher nur Hoffnungslosigkeit war: Wer Außenseiter war und Freunde gefunden hat, wer sich selbst nicht annehmen konnte und sich nun von Gott angenommen weiß, der wird auch erleben, was Dankbarkeit ist.

Unser Text will uns zeigen, wie ein solcher Dank an Gott aussehen kann. Im persönlichen Leben, im Alltag, und im Leben der ganzen christlichen Gemeinde.

Für das persönliche Leben des Christen nennt Paulus drei Dinge. Ich möchte sie einmal mit eigenen Worten sagen:

16 Seid allezeit fröhlich – Ihr braucht euer Lachen nicht zu verlieren. Wenn ihr euch an das erinnert, was euch in Jesus Christus geschenkt ist, dann dürft ihr euch freien. Es gibt keinen Grund, traurig zu sein.

17 betet ohne Unterlaß – ihr dürft mit Gott im Gespräch bleiben. Er kennt euch und weiß um euere Sorgen, Probleme, aber auch um euere Hoffnungen und Träume.

18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. – denkt daran, wem ihr alles zu verdanken habt. Ihr habt einen Vater im Himmel, der für euch sorgt.

Schön, werden Sie sagen, liebe Gemeinde. Aber ist das denn zu schaffen? Dies alles klingt doch ziemlich nach frommen Wünschen. Was Paulus verlangt, gleicht einem Hochsprung über eine Latte, die viel zu hoch angesetzt ist. Ich selbst, wird mancher sagen, kann so nicht leben.

Wer so fragt, der wird von Paulus am Ende unseres Textes noch einmal bei der Hand genommen. Das Geheimnis der vierzehn Mahnungen liegt im letzten Satz. Dort wird auf Gott hingewiesen: Er aber – der Gott des Friedens, der trotz allem treue Gott, wird etwas tun. – Was denn? Und beobachten? Uns beurteilen und richten? Nichts von alle dem.

23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.

24 Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.

Das ist eine gute Nachricht für alle, die sich selbst für unfähig halten, als Christen zu leben. Die Botschaft lautet: Gott selbst befähigt uns Menschen, seinen Willen zu erfüllen und nach seinem Gebot zu leben. Nicht wir selbst sollen uns heiligen, sondern Gott tut es durch seinen Geist. Das ist die Erfahrung, die auch die Aussätzigen machen durften.

Durch und durch. Gott will die Lebensmitte und auch die Verästelungen unseres Lebens prägen. Wie ein gesunder Baum mit seinen Wurzeln aus der Erde Kraft aufnehmen und schließlich Früchte tragen kann, so sollen und können wir es als Christen: im Vertrauen auf Gottes Treue verwurzelt sein, in Jesus Christus Halt haben und uns von ihm füllen und prägen lassen, bis in die Äste unseres Lebens, auch in Enttäuschung, Streß, Krankheit und Leid.

Das liebe Gemeinde, ist der Grund, warum wir dankbar sein können. Wir sind Jesus begegnet und haben erfahren, wie unser Leben neu wurde. Wir dürfen auch weiterhin auf diese Erfahrung vertrauen, denn Gott ist treu. Er hält seine Versprechen, auch wenn wir oft mit den anderen neun fortgehen und unseren Dank vergessen.

Doch auch uns gilt die Einladung Jesu, mit ihm das Mahl zu halten. Denn er gibt uns die Kraft, unseren Weg in der Gemeinde weiterzugehen. Jede Abendmahlsfeier ist ein Zeichen dafür.

So wollen wir das Mahl halten und uns erinnern: 24 Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.

Amen.

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